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Es kann sein, dass dieser Plan nicht eingehalten wird!
Liebe Frau Kafka,
zunächst einmal danke ich für Ihre Mail, in der Sie von Nachfragen sowie einem gewissen Unmut in der Elternschaft berichten.
Meine Antwort wird lang, weil ich umfassend informieren will.
Zum Sachverhalt:
In der aktuellen Unterrichtsreihe verknüpfe ich die lehrplanrelevanten Themen „Liebeslyrik“ und „Referat“ miteinander.
Aufgabe der Schülerinnen und Schüler war es, aus einer Vorauswahl von Gedichten eines auszuwählen und zu analysieren und zu interpretieren – nach vorgegebenen Gesichtspunkten. Es handelt sich um Gedichte, zu denen es noch keine fertigen Ausarbeitungen im Internet gibt (soweit ich das recherchieren konnte).
Die Aufgabenstellung ist zweigeteilt: zum einen gibt es das Referat vor der Klasse, zum anderen die schriftliche Ausarbeitung. Beides zusammen ersetzt die zweite Klassenarbeit – so war bisher mein Plan.
Hierzu gibt es eine schriftliche Aufgabenstellung.
Selbstverständlich war die Hausarbeit und damit auch der Inhalt des Referates selbständig zu erstellen, ohne fremde Hilfe. Das habe ich der Klasse auch mitgeteilt.
Diese Aufgabe habe ich gestellt in Unkenntnis über das Ausmaß an leicht verfügbaren KI-Quellen im Internet, die in Sekundenschnelle sehr gute Gedichtanalysen liefern und zudem auch die wichtigsten stilistischen Mittel erkennen können.
Mit diesen Quellen habe ich mich erst am vergangenen Wochenende auseinandergesetzt, nachdem ich von einem Schüler aufgeschnappt hatte, dass doch sehr viele in der Klasse bei der Bearbeitung der Aufgabe KI genutzt haben.
Beim Abgleich der Hausarbeiten mit einer KI-Quelle musste ich feststellen, dass ein erheblicher Teil der Klasse entweder diese Möglichkeit genutzt hat oder dass Erwachsene sehr stark beim Verfassen der Hausarbeit mitgeholfen haben. Besonders fällt dies auf bei Schülern, die sich bisher bei Klassenarbeiten schwertaten und die bisher weder in der Lage waren, Texte tiefgreifend zu durchdringen noch ihre Gedanken auf einem ausgefeilten sprachlichen Niveau zu formulieren.
Die allermeisten waren so umsichtig, KI-Lösungen leicht umzuformulieren, jedoch sind parallele Gedankengänge zu erkennen, die kein Zufall sein können. KI variiert auch die Antworten auf ein- und dieselbe Aufforderung hin. Es ist deswegen nicht so einfach, das Ausmaß der KI-Verwendung nachzuweisen.
Ein naheliegender Weg ist es deshalb meines Erachtens, einen Abgleich durchzuführen, was ich vergangenen Montag getan habe. Aufgabe der Schülerinnen und Schüler war es, ohne fremde Hilfsmittel den Inhalt sowie die stilistischen Figuren des selbst gewählten Gedichtes zu erklären.
Wer „sein“ Gedicht selbständig und aus eigener Kraft bearbeitet hat, kann den Großteil des Erarbeiteten gedanklich wieder abrufen, auch wenn das eigene Referat schon gehalten wurde. Den zeitlichen Abstand werde ich dennoch versuchen zu berücksichtigen.
Es geht mir um einen groben Abgleich zwischen dem, was die Jugendlichen ohne fremde Hilfsmittel zu schreiben imstande sind und dem, was in den abgegebenen Hausarbeiten steht. Ein zweites Kriterium ist der Sprachstil. Wie gut kann der / die Einzelne formulieren – und ist dies mit dem sprachlichen Niveau in den individuellen Hausarbeiten vergleichbar? Nicht zuletzt kann auch die jeweilige Länge (oder Kürze) der Texte zum Vergleich herangezogen werden.
Ergeben sich im Vergleich zwischen Hausarbeit und nachträglich selbst geschriebenem Text auffällige Unterschiede betreffend Inhalt, Sprachstil und Länge, schließe ich daraus, dass die Hausarbeit mit fremder Hilfe geschrieben wurde.
Es macht keinen Sinn, nur einzelne in der Klasse einen Abgleich-Text schreiben zu lassen. Zum einen muss ich alle gleich behandeln, zum anderen haben viele in der Klasse die Hilfe von KI oder von Erwachsenen genutzt.
Hinzu kommt, dass ein solcher Abgleich für Gerechtigkeit sorgt – denen gegenüber, die KI nicht verwendet haben. Denn die perfekten KI-generierten Gedanken, die Schülerinnen und Schüler in ihre Hausarbeiten eingearbeitet haben, schrauben das Niveau der Ergebnisse so hoch, dass die Arbeiten der KI-Abstinenten Im Vergleich dazu abfallen. Ein schriftlicher Abgleich, wie ich ihn durchgeführt habe, liefert mir – in einem groben Rahmen – realistische Einschätzungsmöglichkeiten, auch im Vergleich der Hausarbeiten untereinander.
Zur Benotung:
Die Note auf den mündlichen Vortrag bleibt bestehen, die Reihe der Vorträge wird fortgeführt. Auch wenn KI-Gedanken eingearbeitet wurden, ist schon das Vortragen an sich eine eigene Leistung.
Das Vortragen läuft bei den meisten recht gut, die meisten Schülerinnen und Schüler gewinnen also in jedem Fall.
Was die Gewichtung der schriftlichen Ausführungen betrifft, so ist dies eine Frage, die nicht einfach zu beantworten ist. Ich werde eine angemessene Lösung entwickeln.
Mir ist klar geworden, dass durch KI eine neue Ära in der Schule anbricht. Hausarbeiten kann ich keine mehr stellen. Ich werde bis auf Weiteres Leistungen nur auf traditionelle Weise überprüfen: mit Klassenarbeiten und schriftlichen Abfragen in der Schule.
Für ein Gespräch, telefonisch oder persönlich, stehe ich gerne zur Verfügung.
Ich würde mich freuen, wenn Sie meine Mail allen Eltern zuschicken könnten, damit auch alle in die Diskussion eingebunden sind.
Mit freundlichen Grüßen
Michaela Karch